Auf der einen Seite sollen Vertriebsprozesse mit integrierter Ergebnismessung dem Vertrieb Übersicht und Orientierung im vertrieblichen Handeln geben. Auf der anderen Seite müssen diese Vertriebsprozesse auf die spezifische Vertriebssituation eines Geschäftsbereiches mit einer bestimmten Produkt- und Kundengruppe in einem bestimmten Vertriebsweg für eine Absatzregion heruntergebrochen werden. Die verbindende gemeinsame Struktur des Vorgehens und ihre spezifische Ausprägung für eine konkrete vertriebliche Aufgabenstellung sind aber keine Widersprüche, sondern zwei Seiten ein und derselben Medaille.
Vertriebsorganisationen tun sich mit dieser Differenzierung in der praktischen Arbeit schwer. Diese würde ihnen leichter fallen, wenn sie sich einen Blick auf die Struktur ihrer Vertriebsprozesse erlauben und sie mit den konkreten Messpunkten in jeder Phase des Prozesses verbinden, die eine konkrete Reaktion der Zielgruppe auf eine vertriebliche Maßnahme erfassen. So wird deutlich, wie sich der Vertrieb der Kundenentscheidung nähert, einen Auftrag zu erteilen.
Integrierte Ergebnismessung bedeutet, dass diese für jeden Vertriebsprozess in seinen konkreten Phasen beschrieben und mit praktisch relevanten Messgrößen umgesetzt werden muss. Es reicht nicht aus, unverbindlich auf der Meta-Ebene zu bleiben, „so müsse es im Grundsatz aussehen“. Wir betrachten vertriebliche Tagesarbeit, die am Prozess Beteiligten müssen ihren Fortschritt erkennen und messen, damit z.B. ein belastbarer Forecast abgegeben werden kann. Dies ist kein Hexenwerk, erfordert aber detaillierte Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Vertriebsprozesses, um ein gemeinsames Verständnis des Vertriebsteams über ihre jeweiligen Beiträge zum Vertriebserfolg ( der gewonnene Auftrag) herbeizuführen. Wenn Sie die heute und in den folgenden drei Artikeln betrachteten vier Kernphasen eines Vertriebsprozesses genauer betrachten, wird deutlich, dass der Kreis der Beteiligten durchaus vom Marketing über den Vertriebsinnen – und Außendienst bis hin zu den Abteilungen der Leistungserstellung reichen kann, je nach Größe und Differenzierung der Funktionen in einem Unternehmen.
Dies verdeutlicht noch einmal, dass es keine Vertriebsprozesse „von der Stange“ gibt, auch wenn manche Anbieter z.B. von CRM-Software dies ihrer Zielgruppe glauben machen wollen. Der nachfolgende Blick auf die erste von vier Kernphasen eines Vertriebsprozesses soll Ihnen zeigen, worauf es in der Entwicklung der eigenen Vertriebsprozesse ankommt. Letztendlich sollen die Aktivitäten relevant in der angepeilten Zielgruppe sein und zu messbaren Interessenten- oder Kundenreaktionen führen, die das Unternehmen dem Auftrag näher bringen.
Phase 1: Wo sind die Unternehmen aus dem Zielmarkt?
Eigentlich ist dies eine einfache Frage, die fehlende Beantwortung sorgt dafür, dass die eigenen Kräfte nicht konzentriert im Markt eingesetzt werden. Dies setzt voraus, dass Unternehmen eine klare Vorstellung von dem haben, für welche Kunden Produkte und Dienstleistungen geliefert werden sollen und – beinahe noch wichtiger – für welche nicht. Gerade kleinere Unternehmen neigen dazu, ihre Zielgruppen erheblich zu groß zu wählen, statt sich und ihre (knappen) Ressourcen auf diejenigen Kunden zu fokussieren, für die sie einen starken Kundennutzen erbringen können.
Lösungskompetenz und Zielgruppe sind dann gut zusammenzuführen, wenn beides klar definiert ist. Hier ist es unabdingbar, seinen Wunschkunden genau zu beschreiben und ebenfalls die zu lösende Aufgabe. Ist sie für die Zielgruppe relevant, ist alles OK. Ist sie es nicht, ist das Produkt für die angesprochene Zielgruppe nicht attraktiv.
Die erste Frage lautet daher: kann das Unternehmen mit seinen Produkten und Dienstleistungen ein relevantes Kundenproblem lösen? Oder müssen eigene Produkte diesbezüglich noch „geschärft“ werden?
Die zweite Frage heißt, für welche Kunden der Zielgruppe sollen diese Leistungen erbracht werden und wie sieht der Gegenwert hierfür aus? Sind die avisierten Kunden wirtschaftlich in der Lage (Bonität, Absatzpotenzial, eigene Entwicklung und Stellung im Markt,..) die Anforderungen an Umsatz und Ertrag zu erfüllen? Wie sieht diese Kundengruppe genau aus, welche Unternehmen sind es?
Die dritte Frage beschreibt die Erreichbarkeit dieser Unternehmen: wer in welcher Funktion ist auf welchem Wege anzusprechen, um auf das eigene Unternehmen als potenzieller Lösungsanbieter für Aufgaben oder Probleme aufmerksam zu machen?
Erst mit der vierten Frage wird geklärt, mit welchem Kommunikationsmix Interessenten zu einer konkreten Reaktion bewegt werden. Anbieter erhalten die Frage beantwortet, ob sich das Unternehmen aus der Zielgruppe für diesen interessiert und ihn sich auch als Lieferanten für eine Aufgabe vorstellen könnte. Als messbares Ergebnis wäre eine konkrete Anfrage per Telefon oder Email festzuhalten oder ein Eintrag in einen Newsletter oder der Abruf einer Produkt- und oder Unternehmensbroschüre.
Hinter der anspruchsvollen Aufgabe, Leads zu erzeugen, stehen konkrete Überlegungen zur Zielgruppe, ihrer Aufgabenstellungen und der eigenen Lösungskompetenz an. Ziel ist, wertvolle und attraktive Kundenpotenziale in den eigenen Zielmärkten zu identifizieren und ihnen HIlfe und Unterstützung für ihre Aufgabenstellung zu bringen. Dies vermeidet „Verkaufsdruck“ auf die Zielgruppe und führt zu interessierter und aufmerksamer Begutachtung eines noch unbekannten, potenziellen Lieferanten.
Welche Ergebnisse liefert die erfolgreich bearbeitete Phase 1 des Vertriebsprozesses?
- Die Lösungskompetenz des Unternehmens für konkret beschriebene Kundenaufgaben und -Probleme mit dem Kundennutzen
- die Kriterien, nach denen Interessenten und Bestandskunden für die vertriebliche Bearbeitung ausgewählt werden. Die schließt Ausschlusskriterien ausdrücklich ein, um eigene Ressourcen zu schonen und die eigene Ertragskraft zu sichern.
- Wer spricht mit welchem Kommunikationsmix die ausgewählte Zielgruppe an?
- Wer misst in welchem Abstand mit welchen Werkzeugen und Verfahren die Reaktion der Zielgruppe auf das eigene (Fach-) Informationsangebot?
- Wer unterstützt mit welchen Medien und Inhalten den Aufbau von Fachkompetenz in den relevanten Fach- und Branchenforen?
Im Teil 2 dieses Artikels geht es um die (Kern-) Phase 2 eines Vertriebsprozesses: „Wo ist der konkrete Bedarf eines attraktiven Interessenten?“. Bleiben Sie dran.