Dominique Turpin, Präsident der Business School IMD, hat mit seinem Beitrag „The Chief Marketing Officer is Dead“ eine durchaus kontroverse Diskussion ausgelöst. Er fordert seinen Ersatz durch einen Chief Custome Officer, der nicht mehr in der Geschäftsleitung angesiedelt sein, sondern eine Ebene darunter.
Aus den sehr unterschiedlichen Kommentaren seines Beitrages ist zu entnehmen, dass auf der einen Seite Zustimmung geäußert wird, das Marketing habe es zum Teil versäumt, konkrete Beiträge zur Steigerung des Unternehmenswertes zu leisten und sich zu einseitig auf PR und Kommunikation konzentriert. Auf der anderen Seite fordern die Kritiker dieses Beitrages, eine Kunden-zentrierte Unternehmenspolitik könne nicht dem Finanzchef und seinen Controllern überlassen werden. Es sei notwendig, die Marktbearbeitungs-Strategie mit den passenden Maßnahmen durch gute Abstimmung zwischen Marketing und Vertrieb zu entwickeln und umzusetzen.
Turpin macht seine Kritik an heutigen Marketing-Leitern an vier Punkten fest, darunter finden Sie meine Kommentierung:
1] Die meisten Marketing-Leiter beschäftigten sich nicht intensiv genug mit den notwendigen Marketing-Aktivitäten.
Das Verhältnis zwischen Vertreib und Marketing in Unternehmen ist nicht immer spannungsfrei. Dennoch sind beide Bereiche auf Zusammenarbeit angewiesen: das Marketing formuliert gemeinsam mit der Unternehmensleitung eine Marktbearbeitungsstrategie und schafft das Spielfeld, auf dem der Vertrieb für das Unternehmen Tore schießen kann und soll. Der Vertrieb gibt die notwendige Rückkopplung vom Kunden aus dem geführten Kundendialog.
2] Finanzleiter (CFO´s) hätten stark an Einfluss in Unternehmen gewonnen.
Auch wenn die Finanzkrise in den Unternehmen ihre Spuren hinterlassen haben und nach wie vor der Ertragsdruck auf den Unternehmen lastet, so wäre es riskant, den Einfluss von Marketing und Vertrieb zurückzudrängen. Sinkt der Einfluss von Kunden auf die Gestaltung der Produktpalette und die Qualität der Leistungserstellung, droht sich das Unternehmen von seinen Märkten abzukoppeln mit dramatischen Konsequenzen für Umsatz, Ertrag und Kundenbindung.
3] Die Auswirkungen von Marketing-Maßnahmen entzögen sich oftmals konkreter Messung.
Marketing sei mehr Kunst als Wissenschaft. Diese Aussage ist nicht berechtigt für seriös am Markt operierende Unternehmen. Marketing Budgets müssen sich vor der Frage rechtfertigen, welcher konkrete Wertbeitrag für die Marktbearbeitung geleistet wird. Es wird nicht mehr ziellos mit der Schrotflinte um sich geschossen. Gerade der Einsatz web-gestützter Medien erlaubt z.B. eine präzise Messung der Response-Raten und ermöglicht einen effizienten Einsatz der Marketingmittel.
4] Niemand habe eine klare Idee, was Marketing eigentlich sei.
Auch wenn es mehr Definitionen für den Bereich Marketing als für Finanzen oder Fertigung gibt, bedeutet dies ja nicht, dass das Marketing für die Umsetzung der Unternehmens-strategie bedeutungslos sei. Marketing und Vertrieb müssen sich darüber abstimmen, mit welchen Maßnahmen potenzialstarke Interessenten adressiert und Kunden gewonnen und gebunden werden. Die dazu erforderlichen Prozessketten enthalten Aktivitäten vom Marketing und Vertrieb, die mit Blick auf den Kunden bzw. Interessenten synchronisiert werden müssen. Hier gibt es in der Praxis noch sehr viel Handlungsbedarf: welche Aktivitäten lösen beim Interessenten Resonanz aus und führen dort zu messbaren Reaktionen.
Es spricht sehr viel für die engere Zusammenarbeit von Vertrieb und Marketing für eine erfolgreiche Marktbearbeitung, die eine Geschäftsführung mit den Ressorts Finanzen und Controlling unterstützen muss. Dies bedeutet aber nicht, dass Marketing und Vertrieb nur einen minder bedeutenden Anteil an der Steigerung des Unternehmenswertes haben.
Das Gegenteil ist der Fall: in Zeiten einander immer ähnlicher werdenden Produkte und Dienstleistungen kommt dem Kundendialog und dem kommunizierten und erbrachten Wertbeitrag für den Kunden eine größer werdende Bedeutung zu: Marketing und Vertrieb bauen Kundenvertrauen und Kundenbindung auf. Da der Kunde das Unternehmen an vielen Schnittstellen praktisch erlebt, trägt jeder Mitarbeiter mit Kundenkontakt auch Verantwortung für die Umsetzung des Versprechens, das gegenüber dem Kunden gegeben wurde.
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