Vielleicht gibt es ihn ja wirklich : den gläsernen Verkaufstrichter. Ich habe ihn noch nicht gesehen oder ich muss ihn übersehen haben. Häufiger liegt das schwarze Tuch über dem Trichter und der Magier verspricht dem staunenden Publikum, dass der Trichter bis oben gefüllt sei. Und jetzt hieße es warten, bis unten die Aufträge herauskommen. Also wird ehrfurchtsvoll gewartet, begleitet von zaghaften oder zornigen Zwischenrufen, warum dies denn solange dauere, bis Ergebnisse zu sehen seien. Der Magier schweigt bedeutungsvoll oder redet bestenfalls beruhigend auf sein Publikum ein: der Auftrag würde ganz sicher kommen. Je nach Eloquenz kommt auch schon einmal eine interessante Geschichte, die in bemerkenswerten Variationen immer wieder mit Leben gefüllt wird: jeder Kunde ist ganz anders – dem ist nicht zu widersprechen.
Manchmal entsteht tatsächlich der Eindruck, jeder gewonnene Auftrag ist ein künstlerisch wertvolles Unikat. Es mag wenige Branchen geben, in denen diese Bewertung gerechtfertigt wäre. In den allermeisten anderen ist sie es sicher nicht: Aufträge zu gewinnen ist die Alltagsaufgabe des Vertriebes in zahlreicher Wiederholung – und schon befinden wir uns in Vertriebsprozessen, die in konkreten Phasen ablaufen. Um im Bild zu bleiben: der Prozess startet oben im Trichter mit der Entscheidung, einen Auftrag gewinnen zu wollen und er endet bestenfalls am Ausguss des Trichters, wenn der Kunde den Auftrag erteilt hat. Die breite Öffnung oben endet im engen Ausguss unten und signalisiert, dass auf dem Weg nach unten leider mancher Prozess der Auftragsgewinnung ungewollt endet.
Frappierend ist nur, dass sich so wenige Unternehmensleitungen für das Innenleben des Trichters interessieren, es käme ja nur auf das Ergebnis an (dessen, was unten herauskommt..), ist als Erklärung zu hören. So ein Trichterinhalt könnte aber vieles berichten : ist er wirklich immer bis zur Oberkante gefüllt? In welcher Phase werden die einzelnen Prozesse abgebrochen, wie viel Prozent verliert der Trichter-Besitzer durchschnittlich in jeder Prozess-Phase? Was sind die Gründe für den Abbruch oder das angestrebte Ergebnis?
Die möglichen Lerngewinne aus diesen Informationen wären sehr groß – werden in der Praxis jedoch überwiegend nicht genutzt. In vielen Vertriebsorganisationen wird angstvoll gezuckt, wenn es an den Inhalt der Vertriebstrichter geht. Es fehlt an einem gemeinsam vom Außen- und Innendienst getragenen Verständnis der Auftragsgewinnung in konkreten Vertriebsprozessen. Der Vertrieb könnte von der Fertigung viel lernen: dort wird ein Fertigungsprozess selbstverständlich zunächst einmal mit der Mannschaft an den Maschinen geübt mit dem Ziel, Produkte in hoher Qualität zu den kalkulierten Kosten zu produzieren. In jedem Prozessschritt gibt es vollständige Transparenz.
Mehr Transparenz im Trichter zeigt, wie gut die einzelen Prozessschritte wirklich beherrscht werden. Manches Vertriebstraining könnte sehr viel effizienter eingesetzt werden, die wirtschaftlichen Gewinne wären beträchtlich: statt wie im Durchschnitt nur jeden 20. Versuch mit einem Abschluss zu krönen, könnte es auch jeder 5. oder 3. sein. Zeitgemäße EDV-Werkzeuge erlauben es, mit geringem Aufwand zu messen, was im Trichter läuft oder klemmt. Führungskräfte im Vertrieb sollten ihren Mannschaften die Angst vor dem gläsernen Trichter nehmen, die Kollegen in der Fertigung haben es ja auch geschafft und enorme Fortschritte in der Qualität ihrer Prozesse erzielt – Transparenz hat dort ungemein geholfen. Die Potenziale für Effizienzgewinne im Vertrieb sind im Schnitt sehr groß – nutzen Sie diese für Ihren Wettbewerbsvorsprung.
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